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Presseartikel

 
Mittwoch, 19. Sep 2018

177 000 Autos queren täglich die Grenzen – Gemeinden und Betriebe suchen Alternativen

Umdenken Wie können Pendler motiviert werden, vermehrt per Rad, Bahn, Bus oder Fahrgemeinschaften zur Arbeit zu fahren? Drei Jahre machten sich Land, Gemeinden und Betriebe Gedanken dazu.

Viele Autos, zu wenig Platz. Besonders zu den Stosszeiten, in der Früh und am Abend, staut es sich auf Liechtensteins Strassen. Die Menschen nutzen das Auto hauptsächlich für ihren Arbeitsweg – laut Cipra International queren an Werktagen rund 177 000 Kraftfahrzeuge die Grenzübergänge zwischen Vorarlberg, der Schweiz und Liechtenstein. Das kostet nicht nur Zeit, sondern belastetet die Umwelt mit Lärm und Abgasen. Wie kann es also gelingen, dass Pendler auf ihr Auto verzichten und auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen?

Im Rahmen des länderübergreifenden EU-Projektes «Nachhaltige Pendler-Mobilität», kurz PEMO, wurden in den vergangenen drei Jahren Massnahmen entwickelt, die die Autofahrer zum Umsteigen bewegen sollen. Am Projekt beteiligten sich Gemeinden und Betriebe aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein. Hierzulande engagierten sich die Gemeinden Ruggell, Gamprin und Schaan sowie 13 heimische Betriebe.

Werkzeugkoffer für die Praxis

«Obwohl oft geeignete Verbindungen mit dem öffentlichen Verkehr oder Fahrradwege vorhanden sind, fehlt meist das nötige Bewusstsein», ist Projektleiter Jakob Dietachmair überzeugt. Betriebe und Gemeinden sollten deshalb mögliche Alternativen zum Auto aufzeigen und gezielt Anreize setzten. Im PEMO-Projekt haben die involvierten Partner einen sogenannten Werkzeugkoffer erhalten, der 28 Mobilitätsmassnahmen präsentiert, unter anderem die Förderung von Fahrgemeinschaften, Ladeinfrastruktur für E-Bikes oder Schnuppertickets für den ÖV. Damit die Massnahmen bei den Mitarbeitenden ankommen, soll es begleitende Informationsveranstaltungen geben. «Anlässlich der Europäischen Mobilitätswoche werden wir zudem kleine Schokoladen verteilen, die darauf aufmerksam machen, dass Mobilität und Gesundheit eng miteinander verbunden sind», sagte René Kaufmann vom Amt für Bau und Infrastruktur und Mobilitätsmanager des Landes Liechtenstein.

Gute Infrastruktur fehlt

«Der Austausch mit den verschiedenen Projektpartner war sehr wertvoll und diente auch als Türöffner in die einzelnen Betriebe», bestätigt Maria Kaiser-Eberle, Vorsteherin von Ruggell. Künftig werde sie sich nochmals verstärkt darum kümmern, die bereits vorhandenen Angebot (Elektroauto, Leihauto, Free-Velo-Point, Fahrpläne von LIEmobil) ins Bewusstsein zu rücken. Auch mit einer App für Mitfahrgelegenheiten will die Gemeinde die Betriebe unterstützten. Dies umso mehr, da die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel in Ruggell noch ausbaufähig wäre. «Besonders die Achse Feldkich-Ruggell-Sennwald wäre für uns attraktiv», so Kaiser-Eberle. Ein Ausbau der ÖBB-Bahnstrecke fordert der Schaaner Vorsteher, Daniel Hilti: «In Schaan gibt es vier Grossbetriebe, deren Mitarbeiter gerne mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen würden. Dem können wir aber schlicht und ergreifend nicht gerecht werden. Es fehlt vor allem eine gute Anbindung von und nach Feldkirch, aber auch nach St. Gallen.» Derzeit werde zumindest versucht, mit der bestehenden Infrastruktur das Angebot zu verbessern.

«Volksblatt»: Herr Hasler, Ihr Unternehmen hat beim PEMO-Projekt mitgemacht und unter anderem auch den Mobilitätscheck durchgeführt. Welche Ergebnisse gibt es?

Helmut Hasler: Zum Zeitpunkt der Befragung hatten wir rund 40 Mitarbeiter, die grossteils aus dem benachbarten Ausland, Österreich und der Schweiz, kommen. Wir haben Mitarbeiter, die wetterunabhängig täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen. Sind die Arbeitswege länger, fehlt es allerdings an guten Anbindungen des öffentlichen Verkehrsnetzes. Wenn der Arbeitsweg mit dem Bus oder dem Zug wesentlich länger dauert als mit dem Auto, wird nicht umgestiegen. Aus dem erhaltenen Bericht können wir aber weitere Massnahmen ableiten.

Wer bei Ihnen mit dem Auto zur Arbeit kommt, muss bezahlen. Wie viel kostet ein Parkplatz?

Wir setzten seit 20 Jahren eine Parkplatzbewirtschaftung um. Ein Parkplatz kostet 25 Franken pro Monat. Die grösste Hürde gab es bei der Einführung, hier mussten die Mitarbeiter erst einmal überzeugt werden. Weil bei uns aber die Nachhaltigkeit immer schon gelebt wurde, war das keine grosse Schwierigkeit.

Wofür wird das Geld verwendet?

Das Geld wird in einen Fonds einbezahlt und ausschliesslich für das Mobilitätsmanagement verwendet. Das heisst, zum einen erhalten jene Mitarbeiter, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Fahrrad oder zu Fuss zur Arbeit kommen, eine Unterstützung. Zum anderen wird das Geld für bauliche Massnahmen verwendet, wie etwa aktuell ein Unterstand für Fahrräder oder eine Ladestationen für Elektrofahrräder.


Welche Verkehrsmittel nutzten Sie persönlich?

Ich fahre untertags gerne mit dem Fahrrad. Es ist nämlich ein Blödsinn, radtaugliche Strecken mit dem Auto zu bewältigen und sich abends auf das Fahrrad zu schwingen, damit man gesund bleibt.

Grenzüberschreitende S-Bahn FL–A–CH bewegt sich wieder

Neuer Anlauf Nach fast drei Jahren Stillstand kommt nun, auf Druck der Vorarlberger Politik, wieder Bewegung in das Projekt der Zugstrecke von Feldkirch nach Buchs. Liechtenstein und Österreich haben sich auf weitere Kostenschätzungen geeinigt, bis Ende 2019 soll ein Finanzierungsplan stehen.

Die verkehrstechnische Erreichbarkeit ist für Liechtenstein von grosser Bedeutung. Die S-Bahn FL–A–CH als Zugverbindung von Feldkirch über Liechtenstein nach Buchs wird deshalb von vielen als eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte im Land gesehen. Die Pläne waren eigentlich weit vorangeschritten, als Knackpunkt erwies sich allerdings die Finanzierung. Fast drei Jahre lang lag das Projekt auf Eis. Wie es scheint, kommt nun aber wieder Bewegung in die Sache. Dafür verantwortlich zeichnen sich vor allem Vorarlbergs Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser und Landesrat Johannes Rauch sowie hiesige Vertreter, die die S-Bahn als alternativlose Lösung zur Bewältigung der künftigen Pendlerströme erachten.

Neue Kostenschätzungen

Aus dem Ministerium für Infrastruktur, Wirtschaft und Sport wird bestätigt, dass bereits anlässlich des Treffens zwischen dem österreichischen Verkehrsminister Norbert Hofer und Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch vereinbart wurde, dass eine detaillierte Kostenaufstellung und weitere Kostenschätzungen notwendig seien. Auch der trilaterale Lenkungsausschuss Bahn, dem unter anderem ein Mitarbeiter des Ministeriums sowie zwei bis drei Mitarbeitende aus dem Amt für Bau und Infrastruktur angehören, hat sich mit dem Thema befasst. Die Arbeiten seien derzeit im Gange, bis Ende 2019 soll ein Finanzierungsplan vorliegen.
Rund 90 Millionen Euro waren einst für das Projekt S-Bahn auf Liechtensteiner Seite vorgesehen. Das Fürstentum und Österreich wollten sich den Betrag je zur Hälfte teilen, doch dann stellte der damalige österreichische Verkehrsminister Alois Stöger diese Abmachung infrage. Die Finanzierung des Projekts müsse neu verhandelt werden – neu geklärt müssten nicht nur die Finanzierung der Infrastruktur, sondern zusätzlich auch jene der Reinvestitionen, des Betriebs und des Unterhalts. Daraufhin wurde das Projekt S-Bahn von der liechtensteinischen Regierung im Jahr 2015 sistiert.

Eile geboten

Die Frage der Finanzierung ist in Liechtenstein eine schwierige, das beweisen auch zahlreiche andere Projekte. Im Fall der S-Bahn FL–A–CH muss sich nicht nur die hiesige Regierung mit Österreich einigen, sondern wahrscheinlich wird das Projekt auch zur Volksabstimmung gelangen. In Vorarlberg drängt man zur Eile, Johannes Rauch mahnt: «Der positive Bescheid der Umweltverträglichkeitsprüfung hat nur zehn Jahre Gültigkeit. Spätestens 2025 müssten also die Bagger auffahren. (red/sb)