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Presseartikel

 
Donnerstag, 01. Aug 1996

Kanalkraftwerk kann Schellenberg und Ruggell mit Strom abdecken

Das Projekt «Kanalkraftwerk» beim Ruggeller Kanalauslauf wird Zündstoff liefern - Warum ist das Kraftwerk für die LKW so wichtig?

(HEM) - Ist es nicht ein Utopie, dass ein Kanalkraftwerk die beiden Gemeinden Ruggell und Schellenberg mit Strom voll abdecken kann? Was für ein Preis muss die Natur dafür bezahlen? Werden die internationalen Konventionen eingehalten? Über diese und andere wichtige Fragen hat sich das Liechtensteiner VOLKSBLATT mit dem Geschäftsführenden VR-Präsidenten der Liechtensteinischen Kraftwerke Heinz Büchel unterhalten.

VOLKSBLATT: Aus einer Studie, die 1981 vom LKW in Auftrag gegeben worden ist, geht hervor, dass ein Kraftwerk im Ruggeller Kanalauslauf wenig sinnvoll ist. Warum spielen die LKW trotzdem wieder mit dem Gedanken Kanalkraftwerk?

Heinz Büchel: Diese von Ihnen zitierte LKW-Studie sieht auch vor, dass der Entscheid über eine allfällige Realisierung der Rheinkraftwerke abgewartet werden soll, weil sich diese beiden Kraftwerkprojekte ausschliessen. Bekanntlich ist von der Regierung das politische Out für die geplanten Rheinkraftwerke 1994 gesprochen worden. Nachdem nun das RKW-Projekt fallengelassen wurde, stehen wir vor einer neuen Situation und sehen uns daher veranlasst, das Binnenkanalkraftwerk erneut wieder aufzugreifen und weiter zu verfolgen.

Ausserdem haben uns die Publikationen in den Landeszeitungen vom 24. November 1995 darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Fischtreppe, welche 1980 erstellt und 4 Jahre später um 24 Meter verlängert wurde, offenbar nicht bewährt hat, so dass eine Studie zur Realisierung neuer wasserbaulicher Massnahmen im Investitionsumfang von 2,2 Millionen Franken der Regierung zur Beschlussfassung vorgelegt wurde.

Wir sind der Auffassung, dass Anpassungen des Binnenkanalauslaufs in den Rhein in einem grösseren Zusammenhang, das heisst auch unter Berücksichtigung der energetischen Nutzung (Stromerzeugung) beurteilt werden müssten und haben die Regierung mit unserem Schreiben vom 30. November 1995 um eine diesbezügliche Stellungnahme gebeten.

VOLKSBLATT: Wieviel Strom kann erzeugt werden, welche Gemeinden profitieren davon?

Heinz Büchel: Je nach Ausbau, Wassermenge und Stauhöhe bis rund 10 Milionen kWh, was mengenmässig in kWh mehr als den Stromverbrauch der Gemeinden Ruggell und Schellenberg abdecken könnte. Dafür müssten entsprechende Abklärungen im Sinne einer Projektoptimierung - die auch die ökologischen Belange einschliesst - getroffen werden.

Der erzeugte Strom würde ins Landesnetz eingespiesen und somit würden alle Gemeinden gleichermassen davon profitieren. Die dezentrale Stromerzeugung könnte in Notsituationen der lokalen Stromversorgung Vorteile bieten.

VOLKSBLATT: Nach LKW-Angaben hat sich die Fischpassanlage nicht bewährt. Die Projektanten der Fischpassanlage weisen diesen Vorwurf mit der Begründung zurück, dass die Erträge beim Laichfischfang Beweis genug sind. Wie stellen sich die LKW zu dieser Aussage?

Heinz Büchel: Nicht die LKW stellen fest, dass sich die Fischtreppe nicht bewährt, sondern in den angeführten Zeitungsartikeln vom 24. November 1995 wird dies mit dem Hinweis «die bestehende Fischtreppe erweist sich zunehmend als die Biotopschranke» kundgetan, was sich auf die Studie des Gewässerschutzamtes bezieht.

VOLKSBLATT: Regula Imhof, Geschäftsführerin der LGU, wirft dem LKW vor, dass es sie wenig kümmert, was die Alpenrheinkommission vorschlägt. Dazu kommen die verschiedenen Konventionen, die unser Land unterschrieben hat. Ist die Stromerzeugung für das LKW wichtiger als die Natur?

Heinz Büchel: Ich weiss nicht, was die LGU betreffend der Idee Binnenkanalkraftwerk hinsichtlich der Alpenrheinkommission uns vorwerfen will. Wir haben uns im übrigen bei den geplanten Rheinkraftwerken um sehr viel ökologisches Gedankengut im Rahmen der Umweltverträglichkeitsabklärungen gekümmert. Es geht mir in diesem Zusammenhang um viel mehr, wir müssen doch versuchen, die Anliegen von Ökologie und Ökonomie zu optimieren.

Die LGU weiss sicher auch, dass unser Land zum Beispiel die Klimakonvention im Rahmen der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung am 4. Juni 1992 unterzeichnet hat, bei der eine Energiegewinnung aus erneuerbarer Energie (z.B. Wasserkraft) doch gerade seine Bedeutung erlangt und eine Massnahme zur CO2-Reduktion darstellt. Darüber hinaus hat unser Land im Dezember 1994 den Vertrag über die europäische Energiecharta unterschrieben. Die Energiecharta beinhaltet, dass die Vertragsparteien Massnahmen zur Milderung der Auswirkungen ergreifen müssen, für den Fall, dass die Energieversorgung einmal nicht mehr funktionieren könnte, das heisst also auch Bemühungen um eine Verbesserung der Eigenversorgungssituation.

VOLKSBLATT: Die meisten liechtensteinischen Bäche fliessen in den Kanal. Bei einem Kraftwerkbau werden alle Bäche zurückgestaut, was sicherlich Komplikationen in der Natur verursachen wird. Ist es möglich, dass die Stromerzeugung kontraproduktiv ausfallen könnte?

Heinz Büchel: Es ist richtig, dass die meisten Bäche Liechtensteins in den Kanal münden, jedoch würde durch den Bau eines Kanalkraftwerks kein einziger Bach zurückgestaut. Mit der Einleitung von Rheinwasser bei Bendern - wie unsere Studie dies vorsieht - ist davon auszugehen, dass sogar namhafte Vorteile im Gewässerregime erzielt werden. Durch die niveaugleiche Wasserverbindung zwischen Rhein und Binnenkanal bei Bendern, könnte sicher die Fischwanderung wesentlich erleichtert werden.

Der Rückstau oberhalb der Kraftwerksstufe würde sich ideal zur naturnahen Gestaltung innerhalb der Rheinau eignen. Dadurch könnten z.B. die vor kurzem künstlich angelegten Feuchtbiotope erweitert werden.

Es geht doch nicht um Energieproduktion kontra Naturwerte, nein, es geht um die ganzheitliche Betrachtung und um eine entsprechende Güterabwägung. Energie ist die Schlüsselgrösse für Umweltfragen schlechthin, doch ohne Energie geht gar nichts und der Strom kommt eben nicht wie vielfach angenommen wird nur aus der Steckdose.

Wir wollen, dass unsere Ideen im Rahmen einer solchen Perspektive wenigstens geprüft werden. Je nach Ergebnis und den ökologischen Auflagen sind selbstverständlich auch die wirtschaftlichen Aspekte nicht zu vernachlässigen. Die LKW könnten sich die Versorgungsaufgabe bei den momentanen Strompreisen ohnehin viel einfacher gestalten und dabei laufend die Bezüge vom Ausland - ungeachtet der Erzeugungsart - einfach erhöhen.

Doch dies wäre ein kurzfristiges Denken und würde auch nicht der weit komplexeren Aufgabenstellung des Gesetzgebers in der Energie- und Umweltpolitik entsprechen.

VOLKSBLATT: Die elektrische Nutzung eines kleinen Teilstroms des Binnenkanals wäre vertretbar, so die erweiterte Studie von 1981. Wie beurteilen die LKW diese Einschätzung?

Heinz Büchel: Wir haben keine Kenntnis über eine erweiterte Studie von 1981. Wir haben auch auf unser Schreiben an die Regierung vom 30. November 1995 noch keine diesbezügliche Stellungnahme erhalten. Wenn wir durch diese Art der Stromgewinnung im Binnenkanal in einem grösseren Zusammenhang gesehen sogar einen Umweltbeitrag leisten und unsere Energie-Eigenversorgung zu vertretbaren, wirtschaftlichen Bedinungen entsprechend verbessern können, so sollte eine Realisierung unserer Studie in Betracht gezogen werden.

Es ist zu berücksichtigen, dass Wasserkraft eine regenerierbare kostenlose und saubere Energie ist, die in der Stromerzeugung fossile und nukleare Brennstoffe mit ihren Ensorgungsproblemen ersetzen kann. Bevor wir jedoch für ein Projekt und eine entsprechende Umweltverträglichkeitsprüfung grössere Aufwendungen, wie beispielsweise bei den Rheinkraftwerken aufzubringen haben, möchten wir die grundsätzliche Haltung der Regierung zu unserer Idee kennenlernen.